Firmenkunden: Falsche Hoffnungen und neue Chancen
Die robuste Verfassung und das stabile Wachstum der deutschen Wirtschaft, verbunden mit geringen Aufwänden in der Risikovorsorge und einer - zumindest bislang - hohen Kundentreue, haben viele Banken dazu veranlasst, das Firmenkundengeschäft als das zentrale Wachstumsfeld der Zukunft auszurufen. Die Kreditvergabe sollte steigen, die Kundenbeziehung über eine breiter angelegte Versorgung mit hauseigenen Produkten vertieft werden und auch die Digitalisierung wollte man nutzen, um in der externen und internen Zusammenarbeit sowie in der Produktabwicklung effizienter zu werden.
Zwischenzeitlich mussten allerdings viele Institute feststellen, dass das Firmenkundengeschäft durchaus seine Fallstricke bereithält und das vermeintlich leicht zu erobernde Terrain eine extrem hohe Wettbewerbsintensität aufweist. Viele traditionelle Banken kämpfen derzeit mit beinahe identischen Strategie-Programmen um neue Kunden bzw. um den Ausbau bestehender Beziehungen. Neue Spieler, vor allem ausländische Großbanken, haben die Attraktivität des deutschen Marktes längst für sich erkannt. Institute wie BNP, Santander, Credit Suisse, UBS, ING oder die französische Crédit Agricole bauen mit neu formierten Teams das lokale Geschäft in Deutschland aus. Der deutsche Firmenkundenmarkt ist prädestiniert für europäische Großbanken, da er lokal, aber zu einem gewissen Teil eben auch international und vor allem europäisch ist. Institute mit pan-europäischen Lösungen oder globalen Offerings treffen auf lokal geprägte Unternehmen mit internationalen Ambitionen. FinTechs, BigTechs (die „Digital Superpowers“ dieser Zeit) und auch neuartige Lösungen bekannter Banken für das Firmenkundengeschäft komplettieren das sich neuformierende Wettbewerbsumfeld. Der sich intensivierende Konkurrenzkampf um die Gunst des Firmenkunden äußert sich mitunter in sinkenden Zinsen bei Prolongationen und Neugeschäft setzte in den letzten Jahren die Margen stark unter Druck.
Das Wettbewerbsumfeld im Firmenkundenmarkt formiert sich gerade neu. Ausländische Großbanken bauen ihr Engagement in Deutschland stark aus, die Innovationskraft der Banken nimmt merklich zu und neue Spieler wie FinTechs und BigTechs beginnen den Markt zu sondieren.
Deutsche Unternehmen verfügen aufgrund der seit Jahren gut laufenden Geschäfte im Allgemeinen über viel Liquidität, eine gute Eigenkapitalquote (39%), eine über alle Branchen hinweg solide Eigenkapitalrendite (14%) und hohe Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn. Deutsche Firmen haben ihre Umsätze in den vergangenen zwölf Jahren verdoppelt und ihre Gewinne vervierfacht. Dabei waren die Finanzierungskosten stets niedrig. Auch die Zahl der Insolvenzen ist auf einem historischen Tiefstand. Im Jahr 2017 gab es 20.276 Insolvenzanmeldungen in Deutschland, im Jahr 2005 waren es noch 36.843.
Die Melange aus starken Unternehmen, intensivem Wettbewerb auf unterschiedlichen Ebenen, niedrigem Zinsniveau und zunehmendem Einfluss der Digitalisierung bereitet vielen Banken Probleme. Viele Marktteilnehmer haben inzwischen Schwierigkeiten, aufgrund des Preis- und Konditionenwettbewerbs im klassischen Firmenkunden-Kreditgeschäft, noch profitabel zu wirtschaften. Zudem erreicht die digitale Revolution auch dieses Geschäftsfeld. Das Zusammenspiel zwischen Kunde und Bank ändert sich, operative Abläufe werden digitalisiert und vor allem die Ertragsökonomie des Geschäftsfeldes ändert sich grundlegend.
Bei fast allen Instituten ist inzwischen angekommen, dass akuter Veränderungsbedarf besteht und etwas getan werden muss. Verändern und entwickeln möchte man sich, aber wohin eigentlich genau? Was wird sichtbar, wenn sich der Nebel der ersten Digitalisierungsinitiativen gelichtet hat? Was bedeutet es für mein Wachstum, wenn alle Institute die gleichen Maßnahmen ergreifen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten? Heißt das denn nicht, dass sich meine relative Wettbewerbsposition eigentlich gar nicht ändert? Nur sind dann eben alle im Markt etwas digitaler als vorher und betreiben schicke neue Plattformen. Letztendlich geht es um die Beantwortung einer zentralen Frage: Wie funktioniert das Firmenkundengeschäft in Zukunft wirklich?
Nicht allen Instituten ist es gelungen, den Firmenkundenmarkt richtig zu lesen und funktionierende Wachstumsstrategien in einem immer intensiver werdenden Verdrängungswettbewerb zu entwickeln. Aber einige neue Spieler und manche traditionellen Häuser überraschen mit hohen Wachstumsraten und erfrischenden Lösungen.
Der deutsche Firmenkundenmarkt in Zahlen - Moderates Wachstum erwartet, doch nicht alle Institute werden ihre Wachstumsziele erreichen
Das Marktvolumen im deutschen Firmenkundengeschäft liegt derzeit bei rund 35,5 Mrd. EUR.
Hierunter fallen alle in diesem Geschäftssegment anfallenden Zins- und Provisionsüberschüsse der in Deutschland aktiven Marktteilnehmer. Das MOONROC Institute of Economic Research (MIER) erwartet für die kommenden Perioden ein leichtes Wachstum des Marktvolumens. So meldet die Deutsche Bundesbank nach einer langen Phase der Stagnation seit einigen Perioden wieder einen Anstieg bei der Nachfrage nach Firmenkrediten. Im Jahr 2017 lag das Gesamtvolumen aller Kredite, die an inländische Unternehmen vergeben wurden, bei 1.391 Mrd. EUR. Zwischen 2014 und 2017 ergibt sich damit ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 2,4%. Aufgrund der durch die EZB geschaffenen Überliquidität im Markt befanden sich die Kreditzinsen seit 2011/12 zwar in einem Abwärtstrend, doch auch dieser verlangsamte sich in den letzten Perioden.
Die Talsohle bei Zinsen für Unternehmenskredite scheint erreicht. Mittelfristig erwarten wir über alle Laufzeiten hinweg einen leichten Anstieg der Zinsen. Vor überschwänglicher Euphorie sei jedoch gewarnt.
Der moderate Zinsanstieg läutet keine Trendwende für die gesamthaften Margen der Banken ein. Er wird vielmehr Ausdruck erhöhter Risiken im Marktumfeld sein und damit akuten Handelsrisiken und einem nervösen internationalen politischen Umfeld Rechnung zollen.
Hinzu kommt, dass die anhaltende Wettbewerbsdynamik und die einsetzende Tektonik aufgrund der bevorstehenden digitalen Umbrüche die Innovationskraft aller Marktteilnehmer stimuliert und die Entstehung neuer, vielversprechender Vertriebsansätze und Geschäftsmodelle fördert.
Der Digital-Schub, der das Firmenkundengeschäft erwartet, wird vielen Etablierten zwar Marktanteile kosten, jedoch auch neues Potential entstehen lassen. Die genannten Effekte lassen in Summe ein leicht wachsendes Marktvolumen erwarten.
Trotz der leicht positiven Prognose zur Entwicklung des Marktvolumens bleibt das Firmenkundengeschäft ein Verdrängungsmarkt. Viele Institute unterschätzen die Tragweite der Veränderung, welche die Digitalisierung mit sich bringen wird. Anders als von vielen Banken angenommen, wird es zukünftig nicht nur darum gehen, die eigene Banken-IT zu updaten oder eine eigene Banken-Plattform-Welt aufzubauen. Auch der Firmenkundenmarkt wird in weiten Teilen seiner Marktsegmente fundamental von einer Verschiebung der Ertragsökonomie und der Wettbewerbslogik betroffen sein.
Die Zeiten des Prinzips „Never Change a Winning Team“ sind vorbei. Auch das Firmenkundengeschäft steht vor fundamentalen Veränderungen. Vielmehr wird es künftig heißen: „Winning Teams are Ever-Changing“.
Es wird entscheidend darauf ankommen, wer in den kommenden Perioden Markt und Wettbewerbskonstellationen richtig zu lesen vermag. Es gilt, die Chancen der Zukunft für sein Haus zu erkennen und beherzt anzugehen. Der Firmenkundenmarkt von heute wird nicht mehr der Firmenkundenmarkt von morgen sein. Wer sich heute seiner Marktanteile und seiner Aufstellung zu sicher ist, könnte schon morgen überrascht werden, wie stark sich digitale neue Spieler an der Kundenschnittstelle platzieren und auch im Firmenkundengeschäft höhere Marktanteile für sich beanspruchen.
Von Gewinnern lernen
Die Anforderungen an Produkte, Service und Beratungsintensität, welche seitens der Firmen an ihre Banken gestellt werden, sind sehr unterschiedlich. Im Markt zeigt sich, dass die einzelnen Marktsegmente nach Größenclustern der Unternehmen von verschiedenen Wettbewerbern mit divergierenden Philosophien angegangen werden.
Es lässt sich eine immer stärkere Zweiteilung des Firmenkundenmarktes beobachten. Die Erfolgsrezepte im Geschäft mit den großen Unternehmen, den „Corporates“ der Branche, unterscheiden sich grundlegend vom Geschäft mit kleineren Firmenkunden, den „KMUs“.
Wie die Ertragsanalyse der entsprechenden Größencluster zeigt, liegt weiterhin viel Potential im Geschäft mit den großen „Corporates“ der deutschen Industrie. Der exportstarke gehobene Mittelstand und die Gruppe der multinationalen Konzerne locken seit einigen Jahren und in einem kontinuierlich steigenden Maße ausländische Banken auf den deutschen Markt. Die Wettbewerbssituation ist entsprechend als hoch-kompetitiv zu beschreiben. Oder - aus Kundensicht betrachtet - hat man die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl vergleichbarer Angebote.
Das Geschäft mit kleinen und Kleinstunternehmen (KMU) funktioniert hingegen völlig anders. Zwar lohnt sich eine intensive Betreuung für kleinere Mittelständler, wie einige Beispiele zeigen, doch je kleiner der Geschäftskunde wird, desto weniger Ertragspotential bietet der einzelne Kunde, was zunehmend intensive persönliche Betreuungskonzepte in Frage stellt. Das Potential dieses Marktsegments liegt in der Masse der Unternehmen, die es zu bedienen gilt, nicht im Einzelfall. Aus diesem Grund bilden diese Unternehmen in Abgrenzung zu den „Corporates“ die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen „KMUs“. Wettbewerber, die es verstehen, diese Kundengruppe zu bedienen, setzen vermehrt auf Standardisierung und eine möglichst hohe Automationsquote bei der Betreuung ihrer Kunden.
Folgen Sie dem untenstehenden Link. In unserer Firmenkunden-Studie stellen wir Ihnen konkrete Beispiele für Strategien stark wachsender Marktteilnehmer vor und analysieren die Pfeiler ihres Erfolges.